Geklaute Romanidee – ganz normal?

Sollte man Ideen erfolgreicher Romane kopieren? Ist das Aufspringen auf einen fahrenden Zug eine verbreitete Idee?

In meinem letzten Beitrag „Harry Potter und die billige Kopie“ stellte ich einen langweiligen Roman aus dem Fundus eines DKZ-Verlags vor. In der Story ist die Protagonistin Schülerin einer Zauberschule, ihre Pflegefamilie wird von einem dunklen Lord getötet und es existiert ein Zauberministerium. Das gab es alles schon vorher und –  wesentlich besser  –  bei JK Rowling nachzulesen. Doch existiert eine geklaute Romanidee von Harry Potter abseits der Schrotthalden bei Zuschuss-Verlagen? Kann man das zentrale Thema so variieren, dass es interessant zu lesen ist und einen kommerziellen Erfolg hat? Ein Beispiel habe ich gefunden – es gibt sicherlich noch mehr – und möchte es kurz vorstellen:

Ben Aaronovitch – Die Flüsse von London

Interessanterweise kommt der Autor ebenfalls aus Britannien, sein Werk wird offiziell vermarktet mit Phrasen wie „Harry Potter auf Steroiden“. Tatsächlich erinnert einiges an Harry. Der Held der Story ist älter, Constable der Metropolitan Police und muss erkennen, dass Magie tatsächlich existiert. Man teilt ihn einem älteren Mentor zu, einem in Zauberei erfahrenen Beamten. Gemeinsam kämpfen sie gegen böse Magie.

Damit enden auch die Vergleiche. Es gibt beispielsweise keine Zauberschule, kein Zaubereiministerium und der Held ist wesentlich älter als Harry. Lediglich das zentrale Thema „Magie existiert in der Gegenwart“, sowie die Schauplätze in Britannien werden beibehalten. Die Story selbst hat einen gewissen Unterhaltungswert, ich persönlich bin jedoch kein Fan. Aber das ist, wie alles, Ansichtssache. Grundsätzlich ist es ein interessantes Beispiel für eine geklaute Romanidee.

Was hat noch die Massen begeistert?

„Tribute von Panem“ ist ein typisches Beispiel. Drei Bücher und erfolgreiche Kinofilme sind das Ergebnis des Erfolgs dieser Serie. Was vielleicht wenige wissen ist, dass Panem unter Kopierverdacht steht. Man wirft der Autorin vor, das Thema das japanischen Films „Battle Royale“ kopiert zu haben. Der Film aus dem Jahr 2000 handelt von einem Japan der Zukunft, in dem eine Schulklasse dazu gebracht wird, sich in einem Spiel gegenseitig umzubringen. Die Schüler werden während eines harmlosen Schulausfluges betäubt und landen mit Halsbändern versehen auf einer einsamen Insel. Der Spielleiter informiert sie darüber, dass sie sich gegenseitig töten müssen. Die Halsbänder enthalten Sprengstoff, der ferngezündet werden kann. Steht nach drei Tagen kein Sieger fest, sterben alle. Die Schüler bekommen Waffen und beginnen den Kampf. Am Ende jeden Tages werden die „Gefallenen“ per Lautsprecher bekanntgegeben. Den Schluss überleben nur zwei Schüler, der Spielleiter hingegen kommt um.

Klingt irgendwie bekannt, oder?

Trotzdem redet heute jeder über „Panem“ und kaum jemand über „Battle Royale“. Weshalb ist das so? Vermuten kann man, dass es an der Love-Story liegt, welche die reinen Todesspiele überlagert. Es gibt von Anfang an eine sympathische Heldin, die sich für ihre Schwester opfert und freiwillig an den Spielen teilnimmt. Mit dieser Person kann sich der Leser identifizieren. Die Kämpfe werden nicht so brutal dargestellt wie bei den Japanern. Die Handlung selbst ist eingebettet in die Auseinandersetzung abhängiger Provinzen gegen eine brutale Zentralregierung. Es ist nicht, wie bei Battle Royale, einfach nur ein Kampf zwischen Schülern, die mehr oder weniger zufällig in die Sache hineingeraten sind.

Gibt es Kopien von Panem?

Der Erfolg von Panem weckte natürlich Nachahmer. Oft lese ich beispielsweise, dass „Die Bestimmung“ von Veronica Roth ein solcher sein soll. Ich bin nicht überzeugt. Die Story handelt von einer Zukunft mit diversen Sekten, die jeweils bestimmte menschliche Eigenschaften in sich vereinen (Selbstlosigkeit, Gewaltverherrlichung, naturverbundenes Leben usw.) Eine junge Heldin muss Herausforderungen bestehen, um in eine bestimmte Sekte aufgenommen zu werden. Zum Schluss kämpft sie um das Überleben.

Damit enden meiner Ansicht nach schon die Vergleichsmöglichkeiten. Mit Ausnahme der weiblichen Heldin und der dystopischen Zukunft sehe ich wenige Gemeinsamkeiten zu Panem.

Ein weiterer Kandidat für die von Panem geklaute Romanidee ist „Die Auslese – nur die besten überleben“ von Joelle Charbonneau. Statt Distrikte existieren Kolonien, die dort lebenden Menschen dürfen jeweils nur bestimmte Kleiderfarben tragen. Die Teenager müssen an einer „Auslese“ teilnehmen, bei der die zukünftigen Anführer ermittelt werden sollen. Es geht in ein Trainingscamp, das harmlos beginnt mit Tests wie in der Schule. Eine junge Heldin nimmt an der Auslese teil, verliebt sich in einen Jungen aus der Nachbarschaft und gemeinsam kämpfen sie ums Überleben. Aus unbekannten Gründen fallen die Jugendlichen reihenweise Mordanschlägen zum Opfer. Gegen Ende des Romans muss der Rest sich durch eine Landschaft kämpfen mit mutierten Wölfen, explodierenden Wasserquellen etc. Das erinnert stark an die Arena bei Panem.

Eine Ähnlichkeit zur Handlung von Panem existiert auf jeden Fall, die Kritiken bei Amazon sind teilweise durchwachsen bzw. die ausführlichste Kritik kommt mit nur einem Stern daher. Ich persönlich habe den Roman nicht gelesen, kann mir also auch kein Urteil bilden.

Was kann man daraus lernen?

Eine geklaute Romanidee ist gar nicht selten und – man kann damit Erfolg haben. Natürlich sollte man intelligent vorgehen. Es zahlt sich offenbar aus, wenn man nur einzelne Elemente der Idee kopiert. Ebenso sollte man das eigene Werk mit einem neuen Konflikt füllen, nicht den alten neu aufwärmen. Billig wäre es z.B. statt einen Schüler eine Schülerin gegen einen dunklen Lord kämpfen zu lassen oder sich irgendeine andere Magieschule auszudenken, die Schüler besuchen. Das hat kein Potential.

Gut schneidet immer eine Lovestory ab, diese fungiert als Salz in der Suppe. Bei Aaronovitch ist die Lovestory eher im Hintergrund, dafür gibt es einen sympathischen Helden, der mit seiner eigenen Verunsicherung kämpft. Ein Muss ist eine ausgeprägte Lovestory also nicht.

Harry Potter als geklaute Romanidee hat also grundsätzlich Erfolgspotential. Man kann sogar ungeniert Werbung dafür machen, wenn lediglich einzelne Elemente übernommen werden. Es ist der Job des Autors dafür zu sorgen, dass eine völlig neue Story entsteht.

Ich vergleiche es mit einem Rezept. Tomatensuppe mit Lauch vs. Lauchsuppe mit Tomaten ergibt keinen Unterschied und kein neues Gericht. Man darf aber gerne Tomaten nehmen und etwas anderes damit anstellen, sie mit neuen Zutaten verbinden oder neu zubereiten. Nicht als Suppe, sondern z.B. als Salat, oder gebacken usw. Der Geschmack nach Tomaten bleibt, die neuen Zutaten sorgen aber für ein prickelndes Erlebnis oder überlagern das alte Gericht sogar vollständig. Frisch ans Werk!

Garantiert neue Idee, ein spannendes Lesevergnügen

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Bildquelle

  • AN66M3: Top Pic Alamy.com
  • Classmate try to cheat on his neighbour: Production Perig www.fotolia.de

2 Gedanken zu „Geklaute Romanidee – ganz normal?“

  1. Hallo,

    interessanter Beitrag. Ist es nicht möglich, dass Leute ähnliche Ideen hatten, welche vieleicht sogar älter als die berühmten Romane sind, von dem angeblich geklaut wurde? Dinge ähneln sich nunmal. Sicher gibt es die eine oder andere Inspiration durch berühmte Werke, aber eine Böse Absicht würde ich zunächst nicht unterstellen. „Person X in Stadt Y kann plötzlich Magie anwenden“ gibt es sicher nicht erst seit Harry Potter 😉

    Gruß
    ryev

    1. Da ist natürlich etwas Wahres dran. Man liest kaum Dinge, die es nicht irgendwo schon gegeben hat. Für den Zusammenhang zwischen Tribute von Panem („Hunger Games“ im englischen Original) hier mal eine Zusammenfassung darüber, was das Netz dazu sagt. Der hier behauptet, dass es abgekupfert wurde: http://www.buzzfeed.com/miamaria/35-reasons-why-the-hunger-games-is-really-battl-gsbg#.lcplPBxMR
      Dieser Beitrag will das Gegenteil beweisen: http://whatculture.com/film/10-reasons-the-hunger-games-isnt-a-rip-off-of-battle-royale.php
      Vielleicht liegt die Wahrheit ja – wie meistens – irgendwo in der Mitte.
      Danke für den Kommentar
      Bernard

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