Die Normannin Historischer Roman

Den Abschluss des Jahres 2015 bildet die Rezension des Historischen Romans „Die Normannin“. Es ist der erste Teil der Trilogie über Emma von der Normandie, Königin von England in einer turbulenten Zeit. Der Roman beschäftigt sich in erster Linie mit Emma und ihrer Sicht auf die Geschehnisse, wechselt den Viewpoint aber auch zu ihrem Ehemann, König Ethelred, dessen Söhnen und einer Widersacherin.

Historische Romane nutzen einerseits reale Ereignisse, aber durch geschickte Wahl der Protagonisten bleibt genügend Freiraum für die künstlerische Freiheit eines Autors. Die ersten Jahre Emmas liegen mehr oder weniger im Dunkel der Geschichte, was Patricia Bracewell anscheinend dazu bewog, diesen Zeitraum für ihre Trilogie zu verwenden. Eine gute Wahl.

Der Roman „Die Normannin“, deckt die Jahre 1001 bis 1005 ab. Emma ist die Tochter Richards,  Herzog der Normandie, ihre Mutter ist Dänin. Die Normandie bekam ihren Namen von dem Wikinger Rollo, der – salopp ausgedrückt – solange Paris belagerte, bis der dortige König keine andere Wahl hatte als ihm Land im Norden Frankreichs zuzuweisen. Das Land der Nordmänner heißt seitdem Normandie. Aufgrund der eigenen Herkunft aus Skandinavien ist es einleuchtend, dass Herzog Richard eine Ehe mit der Dänin Gunnora einging. Diese war übrigens seine zweite Frau, die erste war eine Emma von Paris. Das brachte ihm die Gunst der Verwandtschaft zum französischen Königsgeschlecht der Capetinger. Nach Emmas Tod heiratete er Gunnora, was ihm die Sympathien von Wikingern aus dem Cotentin einbrachte.

England in dieser Zeit wurde regiert von Ethelred dem Unberatenen. Die Historiker streiten sich noch, ob es bedeutet, dass Ethelred beratungsresistent war oder sein Beraterstab aus Trotteln bestand. Er hatte diverse Probleme mit räuberischen Dänen, die nach den Beutezügen oft Schutz in den Häfen der Normandie suchten – bei ihren Landsleuten. Emma, die Tochter Richards, wurde seine Frau, um damit die Beziehungen zur Normandie zu verbessern. Gleichzeitig hatte er wohl auch die Hoffnung, dass die Häfen des Festlandes nicht mehr von Wikingerbooten angelaufen werden durften.

Aufgrund seiner eigenen Beratungsresistenz oder dem seines Stabes befahl Ethelred als Vergeltung für angebliche Mordpläne das Massaker von 1002. Alle Dänen in seinem Herrschaftsbereich sollten ermordet werden. Die Historiker denken, dass der Befehl nur in ca. einem Drittel Englands ausgeführt wurde, im Rest waren die Dänen zu mächtig. Trotzdem starb dabei Gunhilde, die Schwester des dänischen Königs Sven Gabelbart. Dieser rächte sich daraufhin mit einer Invasion im Jahre 1003.

So viel zum historischen Hintergrund, in dem der Roman „Die Normannin“ von Patricia Bracewell spielt.

Die Autorin wählt als Hauptperson natürlich Emma, nutzt das Erzählschema der 3. Person aber, um auch die Sicht anderer Personen darzustellen, z.B. des Königs Ethelred, seiner Söhne und die von Elgiva, einer Gegenspielerin Emmas.

Der Plot plätschert meiner Ansicht nach so dahin, eine Art ruhiger Bach, ohne wesentliche Höhen und Tiefen. Man kommt leider nicht umhin, angesichts der Realität der Geschichte – und trotz der künstlerischen Freiheit, die eine Autorin selbstverständlich genießen darf – die Handlung mit einigen Fragezeichen zu versehen.

So ist es Teil des Plots, dass Emma vortäuschen soll, kein Dänisch zu können. (Seite 197: Sie dachte an den Rat ihrer Mutter, ihre Kenntnisse der dänischen Sprache geheim zu halten. Dein neuer Herr wird dich dafür nicht lieben, und es könnte Misstrauen säen.)

Hä?

Auf den Seiten 84 bis 87, wo Emma von der Hochzeit erfährt und diverse Ratschläge erhält, fällt kein Wort über diese Notwendigkeit. Nur am Anfang, (Seite 27) erfährt der Leser etwas über Emmas Talent, Sprachen leicht zu lernen. Davon abgesehen ist es irgendwie Blödsinn, als Tochter einer Dänin, als Herzoginkind eines von Wikingern beherrschten Gebietes und ausgedehnter Handelskontakte zur alten Heimat, vorzutäuschen man könne kein Dänisch.

Wieso sollte der englische König deswegen misstrauisch sein? Die Abstammung seiner Frau kannte er schon vorher. Ferner war das Alt-Dänische, bzw. Alt-Nordische, wie man heute sagt, damals sehr weit verbreitet. Alltagsworte wie skin, skip, knife, knight stammen von den Wikingern. Ebenfalls husband (husbondi). Window stammt von vindauga, das Windauge bzw. das Loch im Giebel, durch das der Rauch des Herdfeuers abzog. Ebenso veränderten die Wikinger allein durch ihre Anwesenheit die englische Grammatik. Das Personalpronomen their stammt vom nordischen seira. Die Engländer sprachen also Dänisch, mehr oder weniger. Deswegen ist König Ethelred misstrauisch? Ein zweites Mal: Hä?

Diese angebliche Unkenntnis des Dänischen nutzt dem Plot wenig, es ist so ein Anhängsel. Ließe man es weg, würde es niemandem auffallen. Es bringt die Story weder voran noch schadet es ihr.

Die Gegenspielerin Emma ist ein Edelfräulein aus Northumbria mit dem Namen Elgiva. Lt. Epilog beruht die Verwendung auf einer damals real existierenden Person, Aelfgifu of Northampton, der Rest wurde von der Autorin im Rahmen ihrer künstlerischen Freiheit erfunden. Elgiva soll so etwas sein wie der zentrale Bösewicht, den jeder Roman braucht. Mit der Person habe ich so meine Probleme. Elgiva, wie die Autorin auf Seite 626 schreibt, hieß in historischen Dokumenten Aelfgifu. Frau Bracewell verwendet die andere Schreibweise Elgiva. In Ordnung, nichts einzuwenden. Es gibt aber ein anderes Problem: Emma von der Normandie nahm nach ihrer Hochzeit einen angelsächsischen Namen an: Aelfgifu.

Übertragen auf einen modernen Roman wäre das ungefähr so: Monique aus Paris zieht nach London und trifft dort auf ihre Gegenspielerin Monica. Das klingt nicht nur doof, das ist es auch.

Elgiva aus Northumbria (bzw. Aelfgifu of Northampton) hat etwas gegen Elgiva aus der Normandie. Sie will nämlich Königin werden anstelle der Königin (PS: Später erreicht sie es durch Heirat mit einem dänischen König). Deswegen schmiedet Elgiva aus dem Norden diverse Pläne, mehr oder weniger geistreiche. Elgiva aus dem Norden hat nämlich ein Problem: Einerseits ist sie scharf wie ein Rettich, andererseits dumm wie ein Eimer voll Sand. Daran leidet der Plot, sorgt eher für Gelächter als für Spannung.

Ohne viel zu spoilern, nenne ich Seite 135. Elgiva aus Northumbria erscheint im Thronsaal, macht der Elgiva aus der Normandie ihre Aufwartung und verkündet: „Ich bringe Euch einen Schatz aus Jorvik, der Hauptstadt des großen Reiches Northumbria, über den mein Vater herrscht“, sagte sie so laut, dass die umstehenden Frauen es hören konnten. „Es ist dänische Handwerkskunst und daher ein passendes Geschenk für unsere dänische Königin. Nicht wahr, ich habe gehört, dass Eure Mutter eine Dänin ist?“

Der Sinn des Satzes besteht angeblich darin, dass niemand die dänische Abstammung Elgivas aus der Normandie kannte. Elgiva aus Northumbria wollte so einen Keil zwischen der neuen Königin und dem englischen Adel treiben. Nun, das Zentrum jeder Gerüchteküche ist der Palast und bevor ein König heiratet, gehen monatelange Beratungen voraus. Dass eine Braut aus der Normandie, einer Gegend, die ihren Namen von den Nordmännern hat, irgendwie was mit Dänen zu tun haben muss, sollte klar sein. Ich halte es für Unsinn, dass die Abstammung Emmas niemand wusste. Wie lief es damals ab: „Der König will wieder heiraten, sagt man.“ „Echt? Wen denn? Woher stammt sie?“

Elgiva aus Northumbria verschenkt dänische Handwerkskunst aus Jorvik, einer Stadt mit dänischer Vergangenheit und vielen dänischstämmigen Siedlern in der Umgebung. Damit beginnt sie ihren Versuch folgender Intrige: Da wir von den Dänen so oft überfallen werden, hegt man einen Groll gegen sie. Deshalb muss ich aufdecken, dass Emma eine dänische Mutter hat. Darum verschenke ich dänische Waren aus meiner Heimat, in der viele Dänen leben. Das verschafft mir Vorteile hier im Süden, wo man so unter den Dänen leidet.

Ach, ja?

Die übrigen Intrigen sind nicht weniger sinnfrei.

Vorsicht Spoiler: Sie schafft es, eine Droge in Emmas Wein zu mischen, durch die sie eine Fehlgeburt erleidet. Leider kam sie nie auf die Idee, es mal mit tödlichem Gift zu versuchen, wo sie doch laut Plot derzeit die Sexgespielin von König Ethelred ist. Diese Plotidee halte ich für wenig ausgereift. In der Realität würde eine Gegnerin sich mit Fehlgeburten nicht zufrieden geben.

Als weiteres Problem für Emma taucht eine sexuelle Beziehung zu einem von Ethelreds älteren Söhnen aus erster Ehe auf, Athelstan. Das sollte wohl lt. Romanplanung die Spannung erhöhen. Die Beziehung endet jedoch schnell. Der junge Mann möchte gerne den Thron des Vaters besteigen und danach Emma heiraten. Aus Rücksicht auf die Folgen für England überredet Emma ihn, das zu lassen, klingt dabei wie eine weise Politikerin. Wäre sie so weise gewesen, hätte sie dem Kerl vorher auf die Finger geklopft und ihn nicht in ihr Bett gelassen.

Danach sollen die Zweifel über eine eventuelle Schwangerschaft aus dem Seitensprung für Spannung sorgen. Da der König rasch wieder auftaucht und Lust auf Sex hat, erledigt sich das Problem einerseits. Emma bekommt zusätzlich ihre Monatsblutung, wodurch gewährleistet ist, dass der Fehltritt auf jeden Fall folgenlos bleibt. Doppelt gelöst, hurra.

So geht es den meisten Problemen Emmas. Sie tauchen auf, wirken dabei stark gekünstelt und verschwinden wieder von selbst. Dadurch plätschert die Handlung träge vor sich hin, wie ein schmales, langweilig anzusehendes Bächlein in der Wiese.

Hier die systematische Zusammenfassung:

Protagonistin: Emma von der Normandie, spätere Aelfgifu, Königin von England

Antagonistin: Aelfgifu of Northampton

innere Probleme: ???

äußere Probleme: Gunst des Königs erringen durch Schwangerschaft

Unterstützer: Athelstan, Sohn des Königs, diverse Hofdamen

Erzählstruktur: Dritte Person, Präteritum

Handlungsort: Britische Insel, Jahre 1002 bis 1005

Allen Leserinnen und Lesern des Blogs wünsche ich Frohe Weihnachten und ein gutes Jahr 2016.

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Bildquelle

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