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Schreibblockaden – ein Mythos?

Die Beschäftigung mit der letzten Rezension brachte mich auf das Thema Schreibblockaden. Wikipedia beschreibt sie als „psychisches Phänomen, bei dessen Auftreten die Autoren dauerhaft oder vorübergehend nicht in der Lage sind zu schreiben.“ Sie treten in diversen Erscheinungsformen auf, z.B. fällt es schwer einen Textanfang zu finden, man plant einen Text, kann ihn aber nicht schreiben oder es bleiben Ideen aus. Teilweise wird das Schreiben an sich als Qual empfunden. Lösungsangebote gibt es zahlreich. Sie reichen von einer verbesserten Arbeitsplanung bis zu psychologischer Beratung.

Zum Thema Schreibblockaden fand ich eine provokante Äußerung von Barnaby Conrad (1922-2013), Autor und Gründer der bekannten „Santa Barbara Writers Conference“.

„So etwas wie Schreibblockaden gibt es nicht. Mein Vater war dreißig Jahre lang Lkw-Fahrer. Nie ist er am Morgen aufgestanden und sagte: „Ich habe eine Fahrblockade und kann heute nicht zur Arbeit gehen.“ Schreibblockaden sind eine Erfindung selbstverweichlichter Autoren, die vorgeben Künstler zu sein statt Lohnarbeiter. Wenn Sie eine Schreibblockade sehr rasch heilen wollen, stellen Sie sich einfach vor, Sie müssten den Vorschuss Ihres Verlegers zurückzahlen.“

Ferner sagte Herr Conrad:

„Schreiben Sie 6 Seiten am Tag und Sie haben einen Roman in 3 Monaten. Ich scherze nicht! Schreiben Sie 6 doppelseitige Blätter pro Tag und nach 5 Tagen haben Sie ein Kapitel (und 2 Tage Freizeit als Belohnung für gutes Benehmen). Nach 12 Wochen haben Sie dann ein Buch. Das ist alles! Alles, was Sie machen müssen!“

Harte Worte, aber wie viel Wahrheit steckt darin? Die auch im deutschen Sprachraum bekannte Autorin Danielle Steel teilte mit, wie Sie als Autorin arbeitet. Die Ausführungen verdeutlichen eine starke Disziplin, eine sehr strukturierte Arbeitsweise und auch die Schattenseiten des Daseins als professioneller Autor. Der Tagesablauf von Frau Steel zeigt, warum Barnaby Conrad Autoren als Lohnarbeiter bezeichnet. Romantisch klingt wenig in ihrem Bericht.

„Ich schreibe Bücher. Was mit ihnen danach passiert ist für mich stets magisch und mysteriös. Ich denke, wenn irgendein Autor ehrlich mit Ihnen ist, wird er Ihnen sagen, dass er keine Ahnung hat warum sein Buch ein Bestseller ist. Sie schreiben, was Sie schreiben wollen und alles danach ist Sache des Publikums. […]

Was mich betrifft, jedes Mal wenn ich ein Buch schreibe, bin ich besorgt ob es den notwendigen Stacheldraht überwindet. Zuerst braucht es die Zustimmung meines Agenten, was nicht immer einfach ist. Wenn es mein Agent nicht mag, sendet er es nicht an den Verleger. Dann, falls mein Agent brummig zugibt, dass das Buch ihn nicht einschlafen ließ, geht es zum Editor, der es auch mögen muss. Dann sendet er es an zwei oder drei anonyme Typen beim Verleger und schließlich bekomme ich die Nachricht, dass es akzeptiert wurde. Ausgenommen natürlich, dass die Leute wie üblich vergessen mir Bescheid zu sagen und dann sitze ich atemlos vier Wochen nervös herum. […]

Sobald es offensichtlich ist, dass das Buch ein Erfolg ist, kommt die nächste Horrorwelle: Kann ich es nochmal schaffen? Kann ich mir ein neues Konzept ausdenken? Wird es irgendjemand mögen? Gefällt es meinem Agenten? Genehmigt es der Editor, kauft es der Verleger, liest es mein Publikum und mag das Publikum es so sehr wie das letzte Buch? Jedes Mal wird die Spannung ein wenig größer.

Das Geschäft ist voller Unsicherheiten. Jemand, der Ihnen erzählt wie man einen Bestseller schreibt, ist ein Betrüger und ein Lügner. Ich kann Ihnen sagen, wie ich Bücher schreibe. Ich schreibe sie mit Furcht, Begeisterung, Disziplin und einer Menge harter Arbeit. Ich brauche für die Fertigstellung der Outline 6 Monate und danach etwa einen Monat für die Erstfassung. Für mich ist das der kürzeste Teil des Prozesses. Aber das ist eine Sache von 20 -Stunden-Tagen, in denen ich mein Haus nicht verlasse, nicht mit Freunden rede oder irgendjemand anderem, ausgenommen mein Mann und meine Kinder. Alles, was ich mache, ist schreiben. Der nachfolgende Prozess der Revision des Buches ist nochmals eine Sache von etwa 6 Monaten. Der gesamte Zeitraum für die Erstellung eines Buches ist somit ungefähr ein Jahr. […]

Der einzige wirklich notwendige Teil der Bucherstellung ist die Disziplin, die man dafür braucht. Für mich ist Schreiben ein Job, eine Karriere, kein künstlerischer Zeitvertreib. Ich warte nicht auf eine Inspiration, die morgens um 3 Uhr kommt. Ich setze mich mit meinem Notizbuch und meinem Füller um 9 Uhr hin und zwinge mich selbst, dort zu sitzen und für eine Stunde an einer Idee zu arbeiten.

Ich arbeite, ich denke, ich presse und kritzele bis etwas kommt. Wenn ich etwas erreicht habe, an dem ich arbeiten kann, sitze ich an der Schreibmaschine und arbeite bis ich solche Schmerzen habe, dass ich kaum aufstehen kann. Nach 12 oder 14 Stunden fühlt man sich als ob der Körper in zwei Hälften zerbricht. Alles schmerzt, die Arme, die Augen, die Schultern, der Nacken, die Hände. Ich hatte so schlimme Krämpfe, als ich einmal beim Tippen saß, dass ich meine Hände für einige Stunden nicht bewegen konnte. Aber für gewöhnlich sitze ich trotzdem noch da und mache für zusätzliche 5 oder 6 Stunden weiter. […]

Ich habe oft so lange getippt, bis ich die Dinge doppelt sah. Ich wurde einmal ohnmächtig als ich aufstand, und fiel mit dem Gesicht auf die Tastatur. Als ich am Morgen aufwachte, hatte ich die Abdrücke der Tasten in meinem Gesicht.

Aber die Schmerzen und die Agonien zählen nicht mehr. Es fühlt sich wundervoll an. Das Gefühl der Fertigstellung, des Sieges, oder des Überlebens (nach Bucherstellung) ist wunderbar. Es ist so ähnlich wie das Laufen eines Marathons oder das Besteigen eines Berges.“

Quelle: Barnaby Conrad and the staff of the Santa Barbara Writers Conference, „The complete guide to writing Fiction”, 1990, Seiten 239-241

Ist das also das Geheimnis der Vermeidung von Schreibblockaden? Die Einsicht, dass man Disziplin braucht, Härte gegenüber sich selbst und dazu noch die Einsicht, ein Arbeiter zu sein wie jeder andere auch? Barnaby Conrad erzählte das Beispiel seines Vaters nicht ohne Grund. Sicher ist auch er öfters aufgestanden ohne rechte Lust einen Lkw zu fahren. Er machte trotzdem weiter. Warum? Nun, vielleicht einfach aus dem banalen Grund, dass es sein Job ist zu fahren.

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