Kritik ist grundsätzlich eine gute Sache, sie legt die Finger in die Wunde und macht auf Verbesserungen aufmerksam. Heute möchte ich eine Internetquelle vorstellen, die sich damit befasst.
Verreiss mich, auf der Plattform Livejournal, ist eine gemeinschaftliche Arbeit von Leseenthusiasten, die vorwiegend Werke aus dem Bereich der sogenannten FanFiction besprechen. FanFiction ist dadurch gekennzeichnet, dass Fans bekannte Werke aus Literatur und Kino, beispielsweise Harry Potter, Herr der Ringe, oder auch Star Trek, nachahmen. Sie erfinden eigene Geschichten, benutzen die bekannten Kontrahenten und verwickeln sie in neue Abenteuer.
Eigentlich ist diese Definition falsch. Sie versuchen, eigene Geschichten zu erfinden. Meistens haben diese Storys mit dem Ursprung nur die Nutzung der Namen der Protagonisten gemeinsam. Die Qualität ist überwiegend dünner als ein Blatt Papier. Nun könnte man durchaus sagen, dass dies ganz natürlich ist, wenn man das Alter der Fans in Betracht zieht. Bei FanFiction denkt jeder sicherlich an Teenager und deren erste Schreibversuche. Wie soll da ein qualitativ hochwertiges Ergebnis herauskommen?
Einerseits ist das richtig. Andererseits hingegen sind die Vitas der AutorInnen von FanFiction durchaus heterogen. Man findet auch die 40jährige Hausfrau, die eine Story veröffentlicht. Das allein ist nicht falsch. Lediglich der Umstand, dass das Geschreibsel zumeist dem von zwölfjährigen Mädchen ähnelt, lässt den Leser den Kopf schütteln. Besonders, wenn noch zusätzlich stolz verkündet wird, dass die Story quer gelesen wurde (zumeist von guten Freundinnen oder auch den Ehemännern). Trotzdem findet man beispielsweise Kommas, die nach dem Gießkannenprinzip verteilt wurden, haarsträubende Rechtschreibfehler usw.
Besonders Letzteres ist in Zeiten von MS-Word oder Derivaten mit eingebauter Rechtschreibkorrektur äußerst bedenklich. Es zeugt von geringer Sorgfalt bei der Arbeit, dem Mangel an selbstkritischer Überarbeitung.
Ansonsten zeigen die KritikerInnen bei Verreiss mich die üblichen Fehler auf, die sich so regelmäßig häufen wie die Abfolge von Tag und Nacht:
- Mangelnde Kenntnisse in fundamentaler Grammatik
- Nichtbeachtung der Änderungsvorschläge falsch geschriebener Wörter durch das PC-Programm
- gekünstelte Dialoge oder solche, die für Lachanfälle sorgen
- Infodump vom Feinsten
- Eindimensionale Romanfiguren (sehr anschaulich als Pappaufsteller bezeichnet)
- Lächerliche Handlungsabläufe, die niemand ernst nimmt
- Weibliche Romanfiguren sind zumeist eine Mary Sue, männliche ein Harry Stu.
Was beim Lesen diverser Verrisse leider auffällt, ist der merkwürdige Umstand, dass die AutorInnen der besprochenen Werke aus ihren Fehler eher selten zu lernen scheinen. Man findet häufig Besprechungen neuer Storys aus der Feder bekannter AutorInnen von FanFiction , die leider genau die gleichen Fehler wiederholen.
Das finde ich persönlich sehr bedauerlich. Niemand ist fehlerlos, eine Story mit Fehlern zu veröffentlichen ist für sich allein kein Problem. Die Weigerung, aus den Fehlern zu lernen, die nicht erkennbare selbstkritische Überarbeitung, ist jedoch bedenklich.
Ab und an findet man bei Verreiss mich auch die Besprechung eines Romans, den man in jeder Buchhandlung kaufen kann. Ein Beispiel ist das Werk Drachenklingen von Pierre Pevel, erschienen bei Heyne. Vordergründig geht es um eine Adaption der Handlung um die drei Musketiere und Kardinal Richelieu im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Ein Geheimbund unterwandert die europäischen Königshäuser und besteht leider nicht aus normalen Menschen. Ich habe das Werk sogar einmal in einer Buchhandlung gesehen und die ersten Seiten gelesen.
Mehr nicht.
Abgestoßen wurde ich von einem langweiligen Prolog und dem nachfolgenden Text mit einigen Adjektiven zu viel für meinen Geschmack. Die Dialoge sind überwiegend gekünstelt und man findet aufgrund der auktorialen Schreibweise kaum Zugang zu den Romanfiguren. Der Autor soll in Frankreich eine Berühmtheit sein und wahrscheinlich hat Heyne deswegen seine Romane ins Deutsche übersetzen lassen. Entweder war diese Übersetzung eher mittelmäßig oder der Geschmack in Frankreich ist zu unserem stark unterschiedlich. Nun, wie es auch sei, die Kommentare zu Passagen des Buches auf Verreiss mich sind nicht nur lustig, sondern auch höchst zutreffend.
Unfreiwillig komisch in dem Roman sind beispielsweise Sätze wie dieser:
Mit schmerzverzerrtem Gesicht wartete er, bis der stechende Schmerz nachließ, und fuhr dann fort.
Das klingt so ähnlich wie:
Mit galoppierendem Galopp erreichte der weiße Schimmel sein Ziel. (Von mir erfundenes Beispiel, könnte aber gut in den Roman passen)
Ich hätte nie erwartet, so einen dummen Satz über Schmerzen im Werk eines renommierten Verlags zu finden, aber man lernt jeden Tag neu dazu.
Die AutorInnen von Verreiss mich, sind meisterhaft darin, dümmliche Passagen zu finden und sie mit treffenden Kommentaren zu versehen, z.B. diesen:
Sie musste warten, bis ihr Herz aufhörte, wie wild zu schlagen. Warten, bis sich ihr keuchender Atem beruhigt hatte. Warten, bis der kalte Schweiß auf ihrer Haut getrocknet war. Kommentar: Warten, bis ihre Inkontinenz in die Matratze gesogen war.
Bei so vielen Adjektiven in diesem Absatz kann ich nur fassungslos den Kopf schütteln. Leider ist der gesamte Roman von schwerer Adjektivitis befallen, was ihn für mich unlesbar macht. Deswegen steht er auch noch bei der Buchhandlung im Regal und setzt Spinnweben an.
Fazit:
Wer ein nettes Lesevergnügen sucht, ist bei Verreiss mich gut aufgehoben. Hier der Link:
http://verreiss-mich.livejournal.com/
by
Bildquelle
- Stressed businessman tearing out stack of paper at office: fotolia.de