Infodump in Dialogen vermeiden

Infodump, das Überfrachten des Lesers mit einer Vielzahl von Informationen, schlimmer als ein Lexikoneintrag, ist ein leider zu oft auftauchendes Problem. Manchmal verpackt man Infodump in Dialogen und glaubt so, die Problematik gelöst zu haben. An dem nachfolgenden Beispiel, das ich wie üblich im riesigen Fundus eines Bezahlverlages gefunden habe, möchte ich den Fehler demonstrieren und Lösungsvorschläge aufzeigen.

Der nachfolgende Beitrag ist übrigens für dieses Jahr der letzte. Mein Blog macht eine Pause bis ca. Mitte Januar. Ich bedanke mich bei allen Lesern für ihre Aufmerksamkeit und wünsche auf diesem Wege Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr.

Die Rahmenhandlung des gefundenen Beispiels ist wieder einmal eine Fantasy-Welt. In der gibt es einen jungen Prinzen, er steht eine Woche vor seinem 25. Geburtstag. Genau das ist der richtige Zeitpunkt für seinen Vater, um ihm zu eröffnen, dass er unter einem Fluch steht. Exakt an seinem Geburtstag will ein böser Zauberer ihn töten. Es entsteht folgender Infodump, äh, ich meine natürlich Dialog:

„Es trug sich zu“, begann der König von Neuem, „dass genau an dem Tag, an dem ich meine Braut auf mein Schloss führen wollte, sie von einem mächtigen Zauberer geraubt wurde. Er wollte sie für sich selbst haben, denn sie war wohl das hübscheste Mädchen weit und breit. Als ich von ihrem tragischen Schicksal erfuhr, schwor ich dem Zauberer Rache und machte mich auf die Suche nach ihr. Ich musste vielen Gefahren trotzen, doch schließlich fand ich den Turm, in dem er sie gefangen hielt. Sie hat immer an unsere Liebe geglaubt und die ganze Zeit dem Magier widerstanden, was diesen ohnehin schon sehr wütend gemacht hatte. Es gelang mir aber, sie zu befreien.

Der Zauberer ließ uns natürlich verfolgen, sodass es zu einem heftigen Kampf kam. – Glaube mir, mein Junge, das war das Schlimmste, was ich je erlebt habe. Und es kostete mich fast selbst das Leben, da mein größter Feind selbst in den Kampf eingriff. Der Zauberer kämpfte, da er zu unterliegen drohte, fortan mit unfairen Mitteln. Er setzte seine magischen Kräfte ein und hätte sein Ziel sicher auch erreicht, wenn ich es nicht geschafft hätte, mit dem Spiegel deiner Mutter den magischen Strahl, mit dem er mich vernichten wollte, auf ihn selbst zurückzulenken. Damit konnte ich ihn nicht töten, aber wenigstens aufhalten, und es gelang uns die Flucht! – Der Zauberer aber, gekränkt in seiner Eitelkeit, belegte uns mit einem Fluch. Und dieser Fluch ist es, der dich betrifft.“

„Ich habe nicht geahnt, dass es für Euch so schwer gewesen ist, zusammenzukommen“, gibt der Prinz bedrückt zu, ohne darauf zu achten, dass die schlimmste Nachricht erst noch kommt.

„Das ist vergeben und vergessen, mein Junge. Viel schlimmer ist es, was der Fluch bewirkt. – Der Zauberer prophezeite uns, dass wir einen Sohn haben würden, doch soll dieser nach seinen Worten nie den Thron besteigen. Dieser soll ihm auf immer verwehrt bleiben. – Der Fluch und auch die Rückkehr des Zauberers werden an dem Tag eintreten, da dieser Sohn das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet. – Und jetzt weißt du auch, warum ich dir diese lang vergessene Geschichte gerade heute erzähle, denn du wirst in genau einer Woche fünfundzwanzig Jahre alt. Du hast also gerade noch Zeit, das Königreich zu verlassen. Denn ich bin sicher, wenn du hierbleibst, wird der Zauberer dich töten, nur so kann er verhindern, dass du mein Nachfolger wirst.“

„Mein Leben soll sicher sein?“, wiederholte der junge Prinz aufgeregt. „Und was ist mit Euch? Ich werde Euch doch nicht im Stich lassen. Euch nicht und auch nicht das Reich!“

Auf seinem erregten geröteten Gesicht stehen der Kampfgeist und die Entschlossenheit zu lesen, doch der König wehrt ab: „Nein, mein Sohn, du musst fortziehen, dein Leben retten und Wege und Mittel finden, den Bann zu brechen, denn das vermagst nur du, M, Prinz von B und zukünftiger König von B! Nur dann kann alles zu einem guten Ende kommen. – Auf deinen Schultern liegt vom heutigen Tage an die Verantwortung für das Reich und seine Untertanen.“

„Aber wie soll ich den Fluch brechen, Vater?“

„Das, mein Sohn, weiß niemand! Es bleibt ganz allein deinem Mut und deiner Geschicklichkeit, deinem Können und deinem festen Willen überlassen, dieses Rätsel zu lösen. – Ich kann dir nur eines sagen: Suche das Mittel, das alle Hindernisse überwindet, das alle Schwierigkeiten löst und jeden Bann bricht! – Noch heute musst du aufbrechen, damit keine Zeit verloren geht!“

Wie war noch der alte Spruch? Infodump, verpackt in einen Dialog, bleibt trotzdem Infodump.

Was fehlt an der Szene?

Der Konflikt, wie üblich. Da wird einem Prinzen eröffnet, dass er seit seiner Geburt unter einem Fluch steht und trotzdem hört er fleißig zu, was der liebe Papa zu sagen hat. Nur kurz wirft er ein, dass er seinen Vater nicht im Stich lassen will. Doch schon im nächsten Satz fragt er, was zu tun sei, um den Fluch zu bekämpfen. Er zeigt keine wütende Reaktion der Art:

„Was? Seit meiner Geburt wisst ihr das und eine Woche vor dem Eintritt des Fluchs sagt ihr mir erst Bescheid? Wieso habt ihr die ganzen Jahre keine hilfreichen Informationen gesammelt? Weshalb werde ich fortgeschickt mit diesen idiotischen Anweisungen? Noch heute soll ich aufbrechen, weil die Zeit drängt? Was habt ihr die letzten Jahre gemacht, außer auf dem faulen Arsch zu sitzen?“

Nein, der junge Prinz schimpft nicht mit verantwortungslosen Eltern, die es schmählich versäumten, alles zu tun, um ihn zu unterstützen. Unser Prinz ist ein wohlerzogener junger Mann, der brav den einschläfernden Erläuterungen seines Vaters zuhört. Er klagt nicht darüber, dass er das ominöse „Mittel, das alle Hindernisse überwindet, das alle Schwierigkeiten löst und jeden Bann bricht“ suchen soll. Hand aufs Herz! Könnten wir nicht jeder so ein Mittel gebrauchen, irgendwie, irgendwo, irgendwann in unserem Leben? Besonders beim Schreiben von Dialogen?

Bevor wir uns auf die Suche nach dem Gral machen wie einst Parzival im Auftrag von König Artus, sollten wir innehalten. Fragen wir lieber: Gibt es nicht noch einen anderen Weg für gute Dialoge? Ja, erkennen wir nach kurzem Nachdenken, denn wir brauchen nur wenig zu tun.

Was hätte man anders machen müssen?

Es fällt schwer, angesichts eines Plots, der mehr Löcher aufweist als ein Schweizer Käse, sich nur auf den Dialog zu konzentrieren. Grundsätzlich kann man mit den üblichen Maßnahmen einen guten Dialog schreiben:

  • Jeder Hauptperson eine echte Persönlichkeit geben und ein Szenenziel. Was will der König, was der Prinz?
  • Ausgehend von den Charaktereigenschaften der Personen: Wie würden sie reden? Wie redet ein 25jähriger, dessen heile Welt gerade zusammenbricht? Welche Gefühle hätte er? Würde er nicht Wut empfinden, sie hinausschreien?
  • Ferner sollte man die Vergangenheit der Personen glaubhaft gestalten. Es mag vielleicht einen Grund dafür geben, dass man als Eltern beinahe 25 Jahre nichts tut, obwohl man den Fluch kennt. Diesen Grund sollte man glaubhaft dem Leser mitteilen.
  • Ebenso wäre es sinnvoll, den Feind nicht als Idioten darzustellen, dessen Zauber vom Handspiegel eines Mädchens zurückgeworfen werden kann und der ohne ersichtlichen Grund 25 Jahre auf die Rache dafür wartet.

Diesem Weich-Ei von Prinz, der trotz eines Quasi-Rauswurfs in die Wildnis und der Bedrohung seines Lebens weiterhin brav ohne Widerspruch dem Gequassel seines Vaters zuhört, traut man eines nicht zu: Dass er allein da draußen überleben kann und ohne jeden Tipp bezüglich Richtung, Ort, ein ominöses Hilfsmittel findet, von dem nicht einmal bekannt ist, was es ist, wie es aussieht und wer darüber vielleicht etwas weiß.

 Infodump in Dialogen vermeiden, aber wie?

Der Hintergrund mit dem Fluch muss dem Leser vermittelt werden, okay. Welche Möglichkeiten gibt es? Zwei Personen darüber reden zu lassen bringt wenig, wie man an dem Beispiel sieht. Beinahe automatisch fällt einer in die Rolle eines langweilenden, Monologe produzierenden Typen und der andere in die des passiven Zuhörers. Weitere Personen hätten kaum mehr Rollen als die eines Stichwortgebers.

Diese Lösung ist schlecht, Infodump die Folge. Das Verpacken in einen Prolog ist noch schlimmer, denn der liest sich so langweilig wie das Geschwätz des Königs. Das obige Beispiel findet man leider in vielen Romanen. Ein unscheinbarer Jüngling, ein hübsches Mädchen, bekommt von irgendjemandem langatmig erklärt, dass das bisherige Leben so nicht weitergeht, evtl. Gefahren für Leib und Leben drohen. Und natürlich nickt der Kerl, das Mädchen, brav und fragt höflich, was nun zu tun sei.

Das funktioniert selten.

Besser wäre eine Verpackung in die Handlung. Werfen wir den Prinzen ins kalte Wasser, zeigen wir ihn von der ersten Buchseite an auf der Suche nach dem ominösen Bannbrecher. Der sollte natürlich einen sinnvollen Namen haben und nicht dieses schwachsinnige Geblubber. In Gesprächen mit Personen, denen er unterwegs begegnet, mit – sparsamen – Rückblenden, zieht man den Leser langsam in die Handlung hinein. Anfangs sollte es ein Geheimnis sein, wieso ein Prinz allein in der Weltgeschichte herumreist, der Leser rätselt. Dann wird es Scheibe für Scheibe enthüllt  – das kann bis zur 50 %-Marke des Romans dauern – und man fiebert mit. Wird der Prinz den Fluch brechen können? Welche Schwierigkeiten muss er unterwegs bewältigen?

Was hätten Sie getan, um den Hintergrund der Handlung dem Leser zu erklären?

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Bildquelle

  • ID-10030135Stockimage: freedigitalphotos.net

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