7 Anzeichen für einen schlechten Roman

Der große Vorteil der englischsprachigen Schreibratgeber ist nicht nur deren große Anzahl und die Qualität. Interessanterweise sind es einerseits große Autoren, die ihr Wissen weitergeben (z.B. Orson Scott Card), andererseits auch Professoren von Schreibschulen. Der eifrige Leser meines Blogs kennt beispielsweise meine Empfehlung für den Schreibratgeber von Dwight V. Swain „Techniques of the selling writer“. Leider ist dieses breite Spektrum im deutschen Sprachraum nicht vorhanden.

Eine meiner Empfehlungen betrifft auch das Buch von Lisa Cron „Wired for Story“. Sie nennt in einer Checkliste beispielhaft Anzeichen für einen schlechten Roman. Ich möchte diese Liste aufgrund ihrer praktischen Nutzbarkeit vorstellen.

Was hat es mit den 7 Anzeichen für einen schlechten Roman auf sich? Es ist keinesfalls eine Zauberliste, sondern eine Sammlung der Erfahrung der Autorin, die sie an ihre Leser weitergibt. Manche Dinge klingen vielleicht banal, doch leider trifft man genau diese Fehler oft an. Nicht unbedingt bei Verlagswerken, obwohl ich diese Erfahrung auch schon machen musste.  Ich denke, dass die 7 Anzeichen für einen schlechten Roman gerade den Hobbyautoren wichtige Denkanstöße geben, die sie bei der Planung und Überarbeitung nutzen können.

7 Anzeichen für einen schlechten Roman (Titel von Lisa Cron: Anzeichen dafür, dass ein Roman entgleiste)

  1. Wir (die Leser) haben keine Ahnung wer der Protagonist ist, deshalb sehen wir keine Möglichkeit, die Relevanz oder die Bedeutung bestimmter Ereignisse der Handlung abzuschätzen. (Wichtig oder eher unwichtig?)
  2. Wir wissen, wer der Protagonist ist, aber er scheint kein Ziel zu haben. Deshalb wissen wir nicht, worum es in dem Roman geht oder wohin uns die Geschichte führen wird.
  3. Wir wissen, was das Ziel des Protagonisten ist, haben aber keine Ahnung, welche inneren Probleme er hat, die ihn dazu zwingen etwas Bestimmtes so und nicht anders zu tun. Darum fühlen sich seine gesamten Handlungen oberflächlich und ziemlich langweilig an. Man wird als Leser emotional nicht berührt.
  4. Wir wissen, wer der Protagonist ist und welches Ziel er verfolgt und ebenfalls kennen wir seine inneren Probleme. Im Rahmen des weiteren Handlungsverlaufs bekommt er jedoch überraschend was er will, oder ändert willkürlich seine Meinung und verfolgt anscheinend ganz andere Ziele. Vielleicht wird er auch plötzlich von einem Bus überfahren und es scheint so zu sein, dass jemand anderes nun der Hauptcharakter ist.
  5. Wir kennen das Ziel des Protagonisten, aber was in dem Roman passiert scheint ihn nicht zu berühren. Er denkt nicht darüber nach, fühlt nichts dabei und macht den Eindruck eines unbeteiligten Zuschauers im Kino oder einer Marionette in der Hand des Autors. Ebenso scheint es ihn nicht zu kümmern, ob er sein Ziel erreicht oder nicht. Rückschläge auf dem Weg zum Ziel verursachen weder Ärger noch Panik noch sonst irgendein Gefühl.
  6. Die Dinge, die passieren, berühren den Protagonisten in keiner Art und Weise die für den Durchschnittsleser (oder irgendjemand anderen) glaubhaft sind. Ebenso haben wir keine Ahnung, warum er das tut, was er tut. Deshalb ist es für den Leser unmöglich abzuschätzen, was der Protagonist demnächst tun wird.
  7. Die Probleme, die sich dem Protagonisten in den Weg stellen, werden von ihm folgendermaßen gelöst: Seine Gegner sind entweder ausgesprochen dumm, handeln einfältig oder aber kosmische Kräfte verhindern mit Hilfe des Schicksals eine Niederlage des Protagonisten. Ferner entwickelt der Protagonist ungeahnte Fähigkeiten, die sich aus seinem bisherigen Lebenslauf nicht erklären lassen, sondern überraschend aus dem Hut gezaubert werden.

Prüfen nun wir einen bekannten Roman (Hunger Games von Suzanne Collins) mit Hilfe der Kriterien:

  1.  Schon auf den ersten Seiten wird klar, dass Katniss die Protagonistin ist. Der Roman hat weder lange Prologe, noch taucht die Protagonistin erst irgendwann viele Seiten später auf. Dem Leser wird die Hauptperson der Handlung sofort vorgestellt.
  2. Zuerst ist es das Ziel von Katniss, ihre Familie und besonders ihre kleine Schwester zu schützen. Danach ist das eigene Überleben ihr Ziel. Der Zielwechsel ergibt sich logisch nachvollziehbar aus der Handlung.
  3. Die Erzählstruktur macht deutlich klar, was in Katniss vorgeht. Eine emotionale Bindung zum Leser wird dadurch erfolgreich aufgebaut.
  4. Katniss bekommt nie überraschend, was sie will, sondern muss hart dafür kämpfen. Anzeichen für einen willkürlichen Meinungsumschwung sind nirgends erkennbar. Ihre Meinung bleibt im Rahmen der Handlung entweder gleich oder ändert sich in einer für den Leser logischen Art und Weise.
  5. Die Emotionen von Katniss werden in jedem Kapitel ausführlich geschildert. Die Ereignisse hinterlassen bei ihr psychische Wunden.
  6. Die Ereignisse bauen logisch aufeinander auf. Katniss´ Handlungen sind im Rahmen ihres dargestellten Charakters schlüssig.
  7. Katniss besitzt keine Fähigkeiten, die nicht vorher bereits ausführlich geschildert wurden (z.B. Bogenschießen). Ihre Gegner agieren clever. Sofern Katniss Hilfe bekommt, sind sie aus der Rahmenhandlung (Geschenke von Sponsoren oder Unterstützung durch andere Tribute) erklärbar und logisch.

Das obige Beispiel wurde aufgrund seiner Bekanntheit von mir ausgewählt um zu verdeutlichen, wie man mit Hilfe der Checkliste arbeiten kann. Natürlich wäre es auch gut, einen Roman zu wählen, der an der Checkliste scheitert und nicht nur einen höchst erfolgreichen.

Ich werde mir für nächste Woche etwas dazu ausdenken. Man wird im Portfolio von Druckkostenzuschussverlagen (DKZV) schnell fündig. Die 7 Anzeichen für einen schlechten Roman schlagen dort im Regelfall sehr deutlich an.

Neben der Vorstellung der ersten Szene aus so einem Werk (natürlich anonymisiert) rufe ich auch einen Schreibwettbewerb mit einem attraktiven Preis ins Leben. Also, bis nächste Woche!

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Bildquelle

  • NIcola del Mutolo Fotolia.de: Nicola del Mutola Fotolia.de

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