Aus der Schmiede der Schreibratgeber von Writers Digest möchte ich heute das Werk von Jack Bickham vorstellen. Es trägt den Titel „Scene & Structure“, ist also in gewisser Weise mit dem bereits beim letzten Mal betrachteten Ratgeber von KM Weiland vergleichbar. Sollte man sich für einen von beiden entscheiden?
Ich meine, dass beide Schreibratgeber ihren Platz in der Buchsammlung eines Autors haben sollten. Sie besitzen Überschneidungen, das ist richtig, aber sie ergänzen sich auch.
Betrachten wir zuerst das Inhaltsverzeichnis:
- The Structure of Modern Fiction
- Strategy: How to Start your Story and How to End it
- Structure in Microcosm: Cause and Effect
- Structure in Larger Elements: The Scene
- Structure in Macrocosm: Scenes with Results
- Planning and Revising Scenes for Maximum Effect
- Linking your Scenes: The Structure of Sequel
- Scene-Sequel Tricks to Control Pace
- Variations in the Internal Structure of Scene and Sequel
- Common Errors in Scenes and how to fix them
- Plotting with Scene and Sequel
- Specialized Scene Techniques
- The Structure of Chapters
- The Scenic Master Plot and How to write one
Das Inhaltsverzeichnis zeigt bereits die Unterschiede zum Schreibratgeber von KM Weiland. Bickham beschäftigt sich intensiv mit dem Zusammenspiel von Scene und Sequel und kommt damit natürlich wieder auf den Ursprung zurück: Das Werk von Dwight V. Swain.
Auch hier gibt es Übereinstimmungen mit KM Weiland. Swain ist das Fundament jedes guten Ratgebers. So preist Bickham folgerichtig die Szenenstruktur mit Ziel, Konflikt, Desaster, gefolgt von einem Sequel mit den Elementen Reaktion, Dilemma, Entscheidung. Was Bickham besonders auszeichnet ist die Arbeit mit der Verbindung dieser Elemente und den Tipps und Tricks für die Storyentwicklung.
Als Beispiel verwendet Bickham in seinem Schreibratgeber den fiktiven Charakter Fred, der dringend 75.000 $ zur Finanzierung einer Bergtour in Nepal benötigt. Der Leser folgt dem Versuch, daraus einen Plot zu konstruieren. Das große Ziel steht fest: Fred braucht Geld. Die Jagd danach ist der Grundkonflikt der Handlung. Fred geht mit seinem Wunsch zum örtlichen Bankdirektor. Falls der mitleidige Jungautor dem Bankchef das Hobby Bergsteigen verpasst, wird er Fred einen Kredit gewähren und begeistert das Ziel loben. Fred ist zufrieden, die Welt ist rosarot – und der Leser tödlich gelangweilt.
Es fehlt der Konflikt, der Gegenspieler oder die gemeinen Umstände, die Fred das Erreichen seines Ziels verweigern: 75.000 $ für die Bergtour. Ein umsichtiger Autor wird deshalb einen Plot konstruieren, bei dem der Bankdirektor entweder Fred diplomatisch die Tür zeigt oder ihn kurzerhand rausschmeißt. Letzteres bezeichnet Bickham als sogenanntes No-No-Ergebnis für das Desaster. Ein No-And-Ergebnis wäre die Ablehnung des Kredites, aber der Verweis auf die Zentrale in New York, die vielleicht Interesse hätte. Fred solle dorthin reisen und seine Idee vortragen.
Das Desaster, welches das Ende der Szene markiert, darf nicht zu groß sein und den Charakter geradezu übermannen. Bickham stellt beispielsweise die Idee vor, dass Fred in einer TV-Show auftritt, um die benötigten Gelder mit Hilfe von Crowdfunding zu erreichen. Der Talkmaster ist jedoch ein mieser Kerl, der Fred gezielt auflaufen lässt. Am Ende der Show lacht jeder über Fred. Ein derartiges Desaster ist außerordentlich gewaltig, wie Bickham in seinem Schreibratgeber zeigt und verschafft dem Autor mehr Probleme als Lösungen. Mit welcher Idee soll der Autor seine Figur Fred wieder aus dem tiefen Tal der Tränen herausschaffen? Es geht also nicht nur darum, ein Desaster am Szenenende eintreten zu lassen. Vielmehr benötigt der Autor ein Gefühl für die Schwere des Desasters. Ist es zu leicht, nimmt es die Spannung, ist es zu heftig, erschlägt es den Protagonisten.
Bickham sieht in seinem Schreibratgeber den Bedarf für ein Ansteigen der Heftigkeit der Desaster, welche den Romanhelden auf seinem Weg zum Ziel (75.000 $) ereilen. In der Mitte des Romans sollten die Probleme etwa ebenfalls ca. 50 % größer sein als zu Beginn. Erst am Ende löst sich alles auf, Fred bekommt seine Finanzmittel.
Als Idee für einen Subplot schlägt Bickham vor, dass der Bankdirektor seine Tochter vermisst. Womöglich ist sie mit einem stadtbekannten miesen Typ unterwegs, der ihr falsche Gefühle vorschwindelt. Fred kennt den Mann, hat eine vage Idee über seinen Aufenthaltsort und schlägt dem Bankdirektor vor, die Tochter zu suchen. Als Gegenleistung erhofft er sich Vorteile bei der Kreditgewährung. Möglich sind natürlich auch ganz andere Subplots. Beispielsweise müsste Fred seinen Bruder aufsuchen, der im Besitz eines wichtigen Dokuments ist, das die Bank benötigt. Der Bruder ist jedoch verschwunden in Südamerika.
Ausgehend von diesen und vielen anderen Ratschlägen kann ich Bickhams Schreibratgeber weiter empfehlen.
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- Bickham: Bildrechte beim Autor