e-book Flatrate: eine Gefahr für Autoren?

„In der Flatrate Falle.“ So lautet die Überschrift eines von der Autorin Nina George geschriebenen Artikels in der Zeitung DIE ZEIT.  Sie beklagt darin die Praxis, dass diverse Portale tausende von Büchern umsonst anbieten und sieht schlimme Auswirkungen für die Autorenwelt.

Frau George beklagt diverse Zustände, die das Leben einer Autorin schwer machen. Der Artikel ist interessant, verursacht aber beim zweiten Durchlesen Stirnrunzeln. Die Autorin untermauert ihre Aussagen mit diversen Thesen. Einige sind nachvollziehbar, bei anderen bleiben Fragezeichen übrig. So stellt Frau George gleich zu Anfang die geringe Chance dar, dass ein Autor einen Bestseller schreiben kann.

„Von 90.000 neuen deutschsprachigen Verlagstiteln pro Jahr schaffen es 300 bis 500 in die Bestsellerlisten; das entspricht einer Chance von 0,3 bis 0,6 Prozent. Der Lottoschein für die Samstagsziehung erscheint deutlich anlagesicherer.“

Das ist mathematisch gesehen falsch, denn die Rechnung von Frau George unterstellt eine gleiche Chance für alle Titel. Wer z.B. ein Buch über das Paarungsverhalten der Weinbergschnecke veröffentlicht, hat eine wesentlich geringere Chance auf große Verkäufe als z.B. ein Krimi-Autor. Man müsste die Anzahl neuer Titel pro Sparte mit der Anzahl der Bestseller aus dieser Sparte vergleichen um zu einer statistisch richtigen Aussage zu kommen. Ferner beträgt die Wahrscheinlichkeit für einen Lottogewinn im System 6 aus 49 etwa 1 zu 15 Millionen. Unter „deutlich anlagesicherer“ verstehe ich etwas anderes.

Die Autorin führt danach Klage über die Arbeitsbedingungen.

„Für 90 Prozent aller Autorinnen ist kein Auskommen mit dem literarischen Einkommen möglich, nicht mal jenen, die im Feuilletonteil dieser Zeitung [Die Zeit] wohlwollend besprochen werden. Die meisten Werke verschwinden nach zwölf Wochen vom „Neuheiten!“-Tisch diskret in den Lagern und verkaufen sich bis zur Verramschung 500- bis 5.000-mal. Dafür fließt ein Umsatz zwischen 250 und 7.000 Euro aufs Konto, pro verkauftem Print-Buch erhalten Autoren zwischen 5 Prozent (Taschenbuch) und 13 Prozent (Hardcover) vom Nettoladenpreis. In Geld übersetzt: 45 Cent bis 2,80 Euro pro Exemplar.“

Ja, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Das Autorenleben ist hart, keine Frage. Allerdings ergeben 5000 Stück, multipliziert mit 2,80 € exakt 14.000 €. 5000 Stück multipliziert mit 0,45 € sind 2.250 €.  Sorry, aber ich kann die Angaben mit 250 € und 7.000 € aus den Argumenten im Text nicht nachvollziehen, auch nicht mit 500 Exemplaren. Wer einen Artikel für DIE ZEIT schreibt, sollte nachvollziehbar argumentieren.

Danach setzt die Autorin sich mit den diversen Umsonst-Aktionen und Umsonst-Titeln auseinander.

„Umsonst-Aktionen sind das häufigste „Werbemittel“ im Web und so aufdringlich, dass sich der geneigte Leser fragt, warum er überhaupt jemals wieder Geld für Literatur ausgeben sollte. Fast jeder größere Verlag verschenkt monatlich Titel an seine E-Book-Lesercommunity, allein bei thalia.de gibt es zurzeit 8.000 elektronische Titel legal und gratis – und seit dem 20. Oktober bietet der Aldi-E-Book-Shop „Aldi life“ weitere 3.000. 11.000. So viele Bücher schafft kein Mensch im ganzen Leben.“

Bezüglich der Menge ist die Aussage korrekt. Niemand kann das lesen, allerdings sollte man das auch nicht lesen. Ich habe mal bei thalia gesurft und mir die diversen „Umsonst“-Bücher angesehen, bzw. in den angebotenen Leseproben gestöbert. Nun, Frau George, ich muss zugeben, dass ich nie einen Ihrer Romane gelesen habe. (Die Ursache ist allein mangelnde Gelegenheit, nicht böser Wille.) Aber nach dem Stöbern der „Umsonst“ Titel bei thalia bin ich von einem überzeugt: Jeder Euro für einen Roman von Nina George ist eine bessere Investition als jede Sekunde Lesezeit für einen „Umsonst“-Titel. Sorry, aber da sind „Werke“ dabei, da rollen sich die Fußnägel. Umsonst ist noch zu teuer.

Frau George, stellen Sie sich bitte nie auf die gleiche Stufe wie diese „Umsonst“-Werke. Es gilt der alte Spruch: Wenn es umsonst ist, dann ist es nichts wert. Ich brauche keine 11.000 Titel Schund, sondern Qualität. Dafür gebe ich gerne Geld aus. Bei thalia habe ich kein Werk eines lesenswerten Autors/einer Autorin gefunden, das umsonst angeboten wird. So kosten ebooks von Fitzek 14,99 €, von Simon Beckett sogar 19,99 €. Eine Nele Neuhaus bekommt man für 16,99 €.

Bevor ich es vergesse: Eine Nina George (Lavendelzimmer) erhält man für 9,99 € als ebook, das Traumbuch gibt es für 14,99 €. Damit liegt Frau George auf dem Preisniveau von Fitzek. Was ist daran schlecht?

Einen Billigvorteil für ebooks kann ich daraus nicht erkennen.

Wenn Frau George also schreibt: „Heute kosten Verlags-E-Books im Schnitt unter sieben Euro, vor drei Jahren waren es noch über zehn.“ so trifft dies zumindest auf ihre eigenen ebooks nicht zu. Nur das ältere Lavendelzimmer liegt knapp unter 10 €.

Wie sieht es nun aus mit kostenlosen ebooks? Frau George nannte noch Aldi-Life.

Bei Aldi-Life empfangen mich in der Sparte „kostenlose ebooks“ erst einmal Krimis aus den 1920er Jahren. Wer es mag, okay. Dann folgen ein paar XXL-Leseproben. Interessant, ja, aber nichts Besonderes. Der Rest ist ungefähr auf dem Niveau von thalia. Namhafte Autoren werden nur angeboten, wenn die Schutzfrist abgelaufen ist, z.B. Krimis über Sherlock Holmes. 3000 Bücher umsonst hört sich viel an, ist es aber nicht, wenn das Kriterium Qualität in die Gleichung einfließt.

Die Autorin behauptet: Fast jeder größere Verlag verschenkt monatlich Titel an seine E-Book-Lesercommunity.

Wenn, dann höchstens in kleinem Ausmaß. Welcher Manager verschenkt Umsatzträger?  Das wäre Sägen am eigenen Ast. Von den e-book Verkäufen einer Nina George wird auch anteilig das Managergehalt bezahlt.

Wenn Frau George schreibt: „Liebe Verlage, skippt eure Dumping-Geschäftsmodelle“ , dann kann ich aus dem Stöbern bei thalia kein solches Modell erkennen. Diverse Autoren bekommt man für unterschiedliche Preise. e-book Buchverkäufe von Beckett müssen beispielsweise die hohen Lizenzgebühren mit finanzieren, deshalb darf man ihn nicht verramschen. Nele Neuhaus ist zu etabliert, um sie billig anzubieten. Das schadet der Verlags-GuV und dem Managergehalt. Bücher von neueren Autoren sind preiswerter, wahrscheinlich um den Kaufanreiz zu erhöhen. Kein Kunde kauft die Katze im Sack. Ich sehe darin das übliche Marketing, kein Dumping-Modell. Die Angebote für 0 Euro, nun ja, legen wir den Mantel des Schweigens darüber. Mehr lohnt nicht.

Mein Fazit über den Artikel in „Die Zeit“: Ein Sturm im Wasserglas. Qualität setzt sich immer durch (ja, ich weiß, das Fifty shades of Grey literarisch auf niedriger Stufe steht. Aber es heißt ja auch: Ausnahmen bestätigen die Regel.) Wenn Frau George sagt: „Es ist auch an uns, zu entscheiden, wie ungerecht wir [Autorinnen] behandelt werden wollen. Manchmal hilft schon das Wörtchen nein.“ dann ist das eine Binsenweisheit. Welcher Verkaufsmanager gibt die Werke guter Autoren umsonst ab, wenn er pro e-book 14,99 € und mehr kassieren kann? Die Gesetze der GuV sind hart, aber auch zuverlässig. Gute Bücher verschenkt man nicht, man verkauft sie. Autoren, die ständig Qualität produzieren, können gute Preise für ihre Ware erzielen. Schon mal einen Simon Beckett legal umsonst bekommen? Billig gibt es entweder Anfängerwerke zwecks Kennenlernen oder ganz einfach Ramsch. Umsonst sind höchstens Bücher mit der Aufschrift „Lesen auf eigene Gefahr“.

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Bildquelle

  • id-100426725_stuart_miles: freedigitalphotos.net Stuart Miles

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