Jennifer Armentrout ist den meisten Lesern vermutlich vor allem durch ihre Obsidian-Reihe und diverse andere Fantasy-Romane bekannt. Die Autorin schreibt jedoch ebenfalls Jugendromane ohne irgendwelche übernatürliche Einflüsse. Wie schlägt sie sich in diesem Sektor?
Die Antwort liegt nach dem Lesen von „Dreh dich nicht um“ klar auf der Hand: Ausgezeichnet. Man kommt gut in die Geschichte hinein, die von der Protagonistin als Ich-Erzählerin dem Leser vorgestellt wird. Kommen wir zu den Details ohne viel vom Plot zu verraten:
Protagonistin des Romans der Autorin Armentrout ist Samantha. Sie führt ein ausgezeichnetes Leben in der Nähe der amerikanischen Stadt Gettysburg. Ihre Mutter stammt aus einer reichen Familie, allerdings gibt es neuerdings ein paar Eheprobleme. Samanthas Vater ist nicht vom Geldadel, hat in die reiche Familie eingeheiratet. Das scheint Samanthas Mutter neuerdings zu belasten. Sie zieht sich weitgehend aus diversen gesellschaftlichen Veranstaltungen zurück und schaut ebenso ab und zu tiefer in die Flasche als nötig.
Samantha selbst ist Teil einer Mädchenclique des sogenannten Geldadels. Sie liefern sich regelmäßig Wettbewerbe darüber wer die teuersten Markenklamotten und den teuersten Schmuck besitzt bzw. in der Schule trägt. Dazu passt, dass Samantha seit einiger Zeit in der festen Beziehung mit einem gut aussehenden Typen ist, der ebenfalls aus reichem Elternhaus stammt. Es werden bereits Pläne geschmiedet, zusammen eine Elite-Universität zu besuchen. Nach Ende der Ausbildung steht die Heirat so gut wie fest.
Natürlich kann ein Roman nicht von dieser Friede-Freude-Eierkuchen Welt leben, das Schildern der Details von Samantha und ihren Freundinnen und der Liebe zum heißesten und reichsten Typ an der Schule würde schon nach kurzer Zeit todlangweilig sein. Man braucht also ein Spannungselement.
Jennifer Armentrout setzt das sehr geschickt. Samantha wird aus ihrer heilen Welt gerissen und unternimmt mit der besten Freundin einen Ausflug in einen nahegelegenen Nationalpark. Beide werden vier Tage lang vermisst. Nur Samantha kehrt zurück – mit einem totalen Gedächtnisverlust, hervorgerufen durch eine Kopfverletzung.
Die Amnesie führt zu Kuriositäten. Der vorher noch so heiße Freund entpuppt sich als arroganter Schleimer, wenn man ihn das erste Mal kennenlernt. Seine Versuche, dem Gedächtnis durch Körperkontakt auf die Sprünge zu helfen, führen zu Widerstand. Dafür erscheint der Sohn des Gärtners auf einmal attraktiv. Dass er kein dickes Bankkonto besitzt, tritt in den Hintergrund.
Dass Samantha die Freundin ihres Bruders früher verachtete (keine reichen Eltern) findet sie auf einmal seltsam. Sie ist doch ganz nett und die beiden passen gut zusammen. Samantha erfährt Dinge über sich, die sie entsetzen. So machte sie mit ihrer Clique sich früher einen Spaß daraus, andere Mädchen zu hänseln. Die Klamotten sahen aus wie vom Sperrmüll oder die Beine ähnelten doch eher einem Elefanten als einer Gazelle. Nun, da die Erinnerung daran fehlt, beurteilt Samantha andere Mädchen nach ihrem Charakter.
Sie scheidet ebenfalls aus dem Wettbewerb um die schönsten Kleider aus und geht in Jeans und Schlabbershirt in die Schule. Die früheren Freundinnen finden das behämmert. Es kommt zum Bruch. Samantha will mit arroganten Weibern nichts mehr zu tun haben.
Das als alleiniger Hintergrund wäre ganz nett, doch die Autorin Armentrout ist zu gewieft um sich damit zufrieden zu geben. Das andere Mädchen, mit dem Samantha in den Park ging, wird tot aufgefunden. Die Todesumstände sind merkwürdig, die Polizei ermittelt.
Für Samantha stellen sich dringende Fragen. Sie war die letzte Person, die mit der Freundin zusammen war. Hat sie etwas mit deren Tod zu tun? Ihn gar selbst verschuldet?
In Traumsequenzen erscheint das tote Mädchen öfters, jemand schreibt Samantha merkwürdige Nachrichten auf Zettel und legt sie in den Spind der Schule oder versteckt sie daheim. Der Account ihres Emailkontos wurde offenbar geknackt. Alle früheren Nachrichten sind gelöscht. Warum? Wer hat etwas zu verbergen? Was darf Samantha auf keinen Fall von früher wissen?
Die tote Freundin erweist sich als Schlüssel aller Rätsel. Das Ende kam für mich ein wenig überraschend. Doch rückblickend erkannte ich diverse Hinweise im Buch, die auf das Ende hindeuten. Es bezeugt die Fähigkeiten der Autorin, am Schluss die Auflösung quasi aus dem Hut zu zaubern, aber das in einer überzeugenden Weise zu tun. Der Leser akzeptiert die Lösung, da er sich an gewisse Szenen aus früheren Kapiteln erinnert. Im Nachhinein wird alles klar.
Das schafft nicht jeder, Jennifer Armentrout tat es. Sie schreibt ausgezeichnete Romane, die auch ohne jede Übersinnlichkeit auskommen. Respekt, kann man da nur sagen. Gutes Handwerk hat auch beim Schreiben goldenen Boden.
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