Romanbeginn: Der Angelhaken

Oft hört bzw.  liest man, dass ein Autor den Leser mit den ersten Seiten, dem Romanbeginn, bereits auf seine Seite ziehen, einen „Angelhaken“ hinhalten soll an dem er sich festbeißt bis zum Ende der Story. Nur wenige Ratgeber nennen jedoch Details, wie das funktionieren soll.

Karl Iglesias präsentiert in „Writing for Emotional Impact“ eine Sammlung von Tipps. Iglesias begründet die Notwendigkeit des „Hakens“ auf den ersten Seiten damit, dass der Autor nicht neben dem Leser stehen und den Tipp geben könne: „Bitte weiterlesen, auf den folgenden Seiten wird es besser.“ Ein interessantes Beispiel.

Welche Methoden der Eröffnung eines Romans werden genannt?  Iglesias kommt aus der Drehbuchsparte, denn er nennt ausschließlich Filmtitel in seinen Beispielen. Nichtsdestotrotz sind die Methoden des Films – entsprechend gut umgesetzt natürlich – auch auf Romane übertragbar.

Der Held in Aktion. Der Romanprotagonist wird in der Mitte eines Konflikts gezeigt. Dies muss nicht automatisch einen Kampf bedeuten. Man denke an „The Verdict“ mit Paul Newman. Ein Anwalt, heruntergekommen und Alkoholiker, sucht verzweifelt nach Leuten, die ihn engagieren. Er übernimmt einen aussichtlosen Schadenersatzprozess.

Diese Art des Romanbeginns bietet die Möglichkeit, den Hauptcharakter der Story vorzustellen. Man kann Sympathie für diese Person vermitteln, wenn man sie in einer demütigenden Szene zeigt. Vergleiche die Eröffnungssequenz in „Erin Brockovich“. Arbeitslose Frau sucht Job, findet keinen Parkplatz und wird zusätzlich in einen Verkehrsunfall verwickelt.

Der Bösewicht in Aktion. Genauso wie den Helden, lässt sich auch der Böse der Story in den ersten Szenen zeigen. „Star Wars“ war gut darin. Darth Vader verfolgt das Schiff von Prinzessin Leia, erobert es. Sofort drängt sich die Frage auf: Wie geht es weiter? Der Angelhaken ist gesetzt.

Prolog oder Hintergrundgeschichte. Man kann die Story starten mit einer entscheidenden Szene, die vor der Hauptstory startet. Sie kann den Leser neugierig darauf machen, welche Auswirkungen sich ergeben. Hier hat Iglesias offenbar die Überschneidungen mit dem Tipp Flashback in die Vergangenheit übersehen. Mir persönlich fallen als Filmbeispiel die Erstsequenzen von „Edge of Tomorrow“ ein.

Spektakel. Diese Methode funktioniert nur – wichtig –  wenn es ein fester Bestandteil der Story ist, gut dazu passt. Dann ist der Start mit einem Kampf, einer großen Actionszene angebracht. Beispiele sind: „Saving Private Ryan“ oder die Luftakrobatik in „Top Gun“. Das kann den Leser fesseln, vorausgesetzt, es ist ein fester Bestandteil des Plots und wurde nicht in die Story eingebaut um der reinen Action willen. Wenn die Seiten nach dem Angelhaken nicht halten, was versprochen wurde, landet das Buch ebenfalls im Ausschuss. Die ersten Seiten sind wichtig, aber eine Vernachlässigung der Folgeseiten ist fatal.

Geheimnisse. Neugierde kann beim Leser dadurch geweckt werden, dass man mit einem Geheimnis beginnt. Interessante Beispiele sind „Alien“, „Die Matrix“, „E.T.“, „Die üblichen Verdächtigen“.

Einzigartige Welt. Die Einführung in eine völlig neue Welt, kann das Interesse des Lesers wecken. Wichtig ist gerade in diesem Fall die Vermeidung von Infodump. Seitenlange Erklärungen, warum, wieso und weshalb alles so einzigartig ist, führen zu – Langeweile. Langeweile führt zu – Weglegen des Buchs. Die Einzigartigkeit muss sich nach und nach, mit Hinweisen über viele Seiten ergeben. Filmbeispiele für diese Eröffnungsmethode sind: „Men in Black“, „Die Truman Show“, „Der einzige Zeuge“.

Exposition. Die Eröffnung mit den ersten Basisinformationen über die Romanwelt kann eine gute Strategie sein. Jedoch nur, wenn die Informationen interessant und entscheidend für das Verständnis des Plots sind. Stets besteht die Gefahr des Infodumps. Gut funktionieren die heraufscrollenden Texte bei „Star Wars“ oder die Landkarten und die Hintergrundstimme bei „Casablanca“. Wie oben bereits genannt kommt für mich hier auch „Edge of Tomorrow“ in Frage. Die ersten Sequenzen des Films setzen einen guten Angelhaken.

Flashback in die Vergangenheit. Flashbacks haben ihre eigenen Gesetze und im Regelfall lautet die Antwort auf die Frage eines Autors, wann man sie verwenden dürfe: „Nie!“ Ausnahmen bestätigen die Regel. So wirkt ein Flashback dann ausgezeichnet, wenn die Story der Vergangenheit wichtiger ist als die Gegenwart. Die Filme „Titanic“, „Amadeus“ und „Citizen Kane“ starten mit einer Rückblende aus der Gegenwart. Das funktioniert deshalb, weil die Vergangenheit zählt. Sie steht im Handlungsmittelpunkt. Wäre es nicht der Fall, würde ein Flashback den Fehler verursachen, der als Grund zur Vermeidung genannt wird: Er bringt den Leser aus der aktuellen Story heraus. Der Angelhaken wirkt nicht.

Meiner Ansicht nach lassen sich die aufgeführten Beispiele zumeist in einem einzigen Tipp zusammenfassen, den Dwight V. Swain gibt. Mehr dazu aber bei einem der folgenden Artikel.

 

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  • Fish: Julien Tromeur Fotolia.de

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