Der Romanbeginn, die Visitenkarte – ein Quiz

Der Romanbeginn ist die Visitenkarte des Autors, er kann eine Einladung oder eine Abschreckung sein. Er macht Lust zum Lesen oder erreicht das Gegenteil. Ich lade Sie ein zu einem kleinen Quiz.

Wie funktioniert das Quiz? Ich präsentiere Ihnen den Beginn von Romanen, quer durch die Genres. Einige stammen von Werken aus Zuschussverlagen , andere finden Sie im Buchladen um die Ecke. Zuschussverlage sind solche, die jeden Mist drucken, aber dafür vom Autor viel Geld verlangen. Die Links erklären alles.

Erkennen Sie den Unterschied zwischen Amateuren und Profis? Vergeben Sie Punkte zwischen 1 und 5, wobei 1 für die geringste Lust am Weiterlesen steht und 5 für das Maximum. Erst ganz am Ende verrate ich Ihnen, wer hinter den Ausschnitten steht.

Also, starten wir! (PS: Bitte nicht vorscrollen zur Lösung. Lesen Sie die Sätze, denken Sie nach und vergeben Sie Ihre Punkte erst nach reiflicher Überlegung auf einem Blatt Papier. Machen Sie sich bitte auch Notizen über die Gründe für Ihr Votum.)

1. Kriminalkommissar Gert van Hoogen hätte sich in einer lächerlichen Lage befunden, hätte er den Fall Mayerhoff nicht innerhalb kürzester Frist gelöst; die hämischen Bemerkungen der Kollegen einmal außer acht gelassen, blieb man einfach an oberster Stelle seinen Gedankengängen gegenüber verschlossen.

2. Mrs. Agatha Raisin saß am Schreibtisch Ihres soeben leergeräumten Büros in der South Molton Street im Londoner Stadtteil Mayfair. Aus dem Vorzimmer hörte sie Stimmengewirr und Gläserklirren. Ihre Mitarbeiter machten sich bereit, ihr Lebewohl zu sagen.

3.  Mit einem ohrenbetäubenden Quietschen kam die überfüllte S2 auf den Gleisen zum Stehen. Lynn bahnte sich grob einen Weg durch die Menge der Passanten, die alle in den trockenen Zug steigen wollten, und ließ sich auf den erstbesten Platz fallen. Schon seit Tagen bedeckten dichte Regenwolken den Himmel über Wädenswil, und leider sah es heute Richtung Zürich auch nicht besser aus.

4. Außentemperatur 3 Grad Celsius. Kein Wind. Die Wettervorhersage hatte keinen Regen gemeldet. Perfekte Bedingungen. Er sah sie kommen. Ihre pinkfarbene Mütze leuchtete wie ein Signal im schieferfarbenen Zwielicht des anbrechenden Wintertages. Sie war allein, wie jeden Morgen.

5. Fünf Minuten vor fünfzehn Uhr. Genau einundsechzig Stunden bevor es passierte. Der Rechtsanwalt bog nach dem Tor ab und parkte auf dem freien Gelände.

6. Nathan Rubin starb, weil er sich mutig zeigte. Es war nicht jene Art Mut, für die man im Krieg einen Orden bekommt, sondern diese plötzliche Aufwallung von Empörung, die dazu führen kann, dass man auf der Straße umgebracht wird.

7. „Peters, kommen Sie mal!“ Peters war Hauptkommissar bei der Kripo, 38 Jahre, nicht verheiratet, und hatte bis jetzt mit Kleinkriminellen zu tun gehabt. Ein Mann in den besten Jahren, körperlich fit und immer noch alleine. Sein größter Fall war ein geklautes Auto, das nach Polen verschoben wurde.

8. So also endet eine Ehe, dachte Julia Hamill, während sie die Schaufel in die Erde stieß. Nicht mit zärtlich geflüsterten Abschiedsworten, nicht mit dem liebevollen Druck einer arthritischen Hand irgendwann in vierzig Jahren, nicht mit einer Schar trauernder Kinder und Enkelkinder, die sich um ein Krankenhausbett versammelten.

9. Im schrägen Licht des Tagesanbruchs entdecke ich ihn, die Konturen fein wie ein Wasserzeichen, eingeprägt in die nackte Erde. Mittags, wenn die afrikanische Sonne heiß und grell niederbrennt, hätte ich ihn vielleicht glatt übersehen, doch am frühen Morgen werfen auch die flachsten Mulden und Vertiefungen einen Schatten, und als ich aus unserem Zelt trete, fällt mir dieser einzelne Abdruck sofort auf.

10. Es war Sonntagmorgen um halb sechs Uhr, als es an meiner Haustür klingelte. Ich schreckte aus dem Tiefschlaf auf. Im ersten Moment hatte ich keine Ahnung, wo ich eigentlich war. Doch dann fiel mir alles wieder ein: Ich war in New York in meiner neuen Wohnung. Es klingelte ein zweites Mal. Ich stand auf und ging verschlafen in Richtung Wohnungstüre.

11. Mein Kopf tat schrecklich weh. Ich sah mich verwirrt um. Eine kleine Nachttischlampe erhellte den Raum. Diese stand auf einem alten Kästchen neben mir. Ich lag in einem Bett. Bin ich etwa nackt? Vorsichtig zog ich die dicke, warme Decke hoch.

12. Johannes’ Augen glommen düster im Licht der Straßenlaternen, als er den Vorhang des Fensters etwas beiseiteschob. Er zählte. Fünf Personentransporter, militärische Großfahrzeuge, rollten auf ihren magnetgedämpften Reifen nahezu lautlos an seinem Haus vorbei. Der junge Mann ließ den Vorhang wieder fallen und zog sich vom Fenster zurück.

13. In unserem Haus gibt es nur einen einzigen Spiegel. Er befindet sich hinter einer Schiebetür im Flur des oberen Stockwerks. Meine Fraktion gestattet es mir, jeweils am zweiten Tag eines jeden dritten Monats davorzustehen, immer dann, wenn meine Mutter mir die Haare schneidet.

14. Bevor sie Das Mädchen Von Irgendwo wurde – das Mädchen das plötzlich auftauchte, Die Erste und Letzte und Einzige, die tausend Jahre lebte – , war sie nur ein kleines Mädchen aus Iowa und hieß Amy.

15. Gedankenverloren wanderte Emma Monroe durch die Straßen Dublins, begleitet von einem einzigartigen Hochgefühl. Sie hatte es geschafft! In einer Zeit, wo Frauen an der Hochschule wie Unkraut bekämpft wurden, in einer Branche, die von Männern dominiert wurde, hatte sie sich durchgesetzt. Doch nicht nur das, sie war mittlerweile tatsächlich die gefragteste Tierärztin auf der ganzen Insel! Und natürlich wusste Emma nur zu gut, welchem besonderen Umstand sie diesen Erfolg zu verdanken hatte.

16. Auf Schloss Primrose herrschte Ratlosigkeit. Zwei Wochen waren vergangen und noch immer tappten Adrian, Lilly und Gabriel im Dunkeln. Wenn auch das halbe Rätsel im Prinzip schon gelöst war.

17. Freitagnachts 23.25 Uhr im großen Spital zu Perpignan. Alles ist dunkel und still. Gedämpftes Licht in den Gängen. Einzig in der Dialyseabteilung ist noch ein Vierer-Saal hell beleuchtet. Hier arbeitet Claire Lager noch, räumt auf und macht die Maschinen bereit für den morgigen Tag. Vor einer Viertelstunde sind die zwei letzten Patienten abgeholt worden. Nun ist auch Claire fertig. Sie löscht die Lichter, begibt sich in die Garderobe und dann zur spitalinternen Tiefgarage.

18. Das Jahr 2010: Es regnete in Strömen. Der Londoner Wetterbericht meldete Gewitter für die ganze Woche. Im Zentrum der großen Stadt stand das Waisenhaus, in dem Cedric und seine Zwillingsschwester Pauline lebten, seit sie vier Jahre alt waren. Es war ein großes, mehrstöckiges, in bunten Farben gestrichenes Gebäude mit einem runden, mintgrünen Kuppeldach.

19. Alles begann mit dem Prozess um den Verrückten und die Wassermelonen am Obersten Gericht. Der Betreffende namens Ivan lebte am Fluss Dell im Ostteil der Stadt in der Nähe des Handelshafens. Auf der einen Seite seines Hauses wohnte eine Steinmetzin, die Grabsteine fertigte und beschriftete, auf der anderen Seite lag das Wassermelonenbeet eines Nachbarn. Ivan hatte es im Dunkel der Nacht irgendwie geschafft, alle Wassermelonen des Beetes durch Grabsteine zu ersetzen und alle Grabsteine der Steinmetzin durch Wassermelonen.

20.  „Also nicht vergessen, wenn dich jemand ärgert oder du Stress mit jemandem hast, mein Klassenzimmer ist …“ „… im zweiten Stockwerk, Raum 349. Wenn ich den Weg mal nicht finden sollte oder du woanders Unterricht hast, soll ich im Sekretariat fragen, wo du bist. Keine Sorge, Izzy, du hast es mir inzwischen fünf Mal erklärt.“ Genervt knallte ich die Autotür hinter mir zu. „Izzy, deine Hilfsbereitschaft in Ehren, aber ich bin kein Baby, ich habe schon oft die Schule gewechselt.“ Meine neue Schwester holte mich ab.

21. Es war eine düstere, unheilvolle und verregnete Novembernacht in der Hauptstadt Malachet. Donner hallte lautstark durch die engen Gassen der Stadt, während der Himmel von Blitzen hell erleuchtet wurde. Regen fiel in Strömen und bildete große Pfützen auf den Straßen. Die Bewohner schliefen, wenn auch unruhig, in ihren Betten.

22. Lindsay Taylor wohnte mit ihren Eltern und ihrem neunjährigen Bruder Luke in einem Einfamilienhaus in der Nähe von Manchester, Großbritannien. Sie besuchte mit ihren vier besten Freunden die Manchester Academy of English. Ihre beste Freundin hieß Tamina Turner und ihre beiden besten Freunde Jake Iron und Robby Castle.

23. Meine Mutter war völlig ekstatisch, als wir den Brief bekamen. Für sie hatten sich damit alle unsere Probleme mit einem Schlag gelöst. Es gab nur einen Haken an Ihrem tollen Plan: mich. Ich halte mich nicht für eine besonders bockige Tochter, aber hier war für mich Schluss.

24. Der Diener verneigte sich tief, als er den Helm mit dem mächtigen Rosshaarschweif entgegennahm, während zwei andere die Türen zur Halle des Herrschers öffneten. Ohne die Männer weiter zu beachten, trat König Haffrens erster Heerführer zwischen ihnen hindurch. Das Leder von Hose und Stiefeln war mit Schlamm bespritzt, der lange, um die Schultern mit Nachtfeh verbrämte Mantel im Saum eingerissen und beschmutzt.

25. Es mag eine glückliche Fügung gewesen sein, dass meine Aufmerksamkeit quer über die Straße auf den schlammbespritzten Zigeunerwagen gerichtet blieb, doch das bezweifelte ich. Nebulöse Zufälle wie Glück oder Fügung wurden in meinem Leben nicht geduldet, jeder Augenblick war durchgeplant, wenn ich nicht selbst etwas für Spontaneität sorgte.

26. Das erfolgreichste und meistzitierte Stück des Dichters Rewin, der größte Redefluss, der aus der Neuen Stadt hervorgegangen war, hieß Stadtlied. Es fing an, was man des Nachts in Imardin hörte, wenn man sich die Zeit nahm, innezuhalten und zu lauschen: eine nie endende, gedämpfte und ferne Mischung von Geräuschen. Stimmen. Gesang. Ein Lachen. Ein Stöhnen. Ein Ächzen. Ein Schrei.

27. An einem sonnigen Nachmittag, einige Tage vor Schulbeginn, waren wir mal wieder im Park. Ich lag wie immer lang ausgestreckt auf dem Tisch, blickte in die Baumkronen und genoss die Stille um mich. Jess las in einem Buch und Jac blätterte in einer Zeitschrift, als ein Mädchen auf uns zukam. Sie gehörte zur Clique, die sich ebenfalls immer in diesen Park aufhielt.

28. Seit einer Stunde wanderte Connor mit Jonas durch diese Gesteinswüste. Sie sammelten Bodenproben von verschiedenen Orten und verstauten sie in ihren Probenbehältern, die mehrere Einzelfächer hatten, um die verschiedenen Proben zu trennen. Die beiden anderen Planetologen, Mr. Grand und Mr. Sullivan, mit denen Connor das erste Mal zusammen auf einer Landungsmission war, waren in eine andere Richtung gegangen.

29. Dong, Dong, Dong. Die Uhr schlägt Mitternacht. Die Feier erreichte ihren Höhepunkt. Lautstark waren Gelächter und Jubel zwischen den explodierenden Feuerwerkskörpern zu hören. Schillernde Farben blitzten am Himmel auf und vergingen wieder. Ein fantastisches Schauspiel zu Ehren der Königin Layla. Sie war heimgekehrt und hatte ihren rechtmäßigen Platz als Königin eingenommen.

Kommen wir zur Auflösung. Gleichzeitig verrate ich meine Bewertung.

1 Nur 1 Punkt. Ein Roman aus einem Zuschussverlag. Der Beginn langweilt nach dem Motto: Hätte, hätte, Fahrradkette

2 Ich vergebe 3 Punkte. Der Roman stammt von MC Beaton und heißt „Agatha Raisin und der tote Dichter“. Der Beginn ist eher ruhig, aber es weckt Interesse zu erfahren, wieso die Mitarbeiter den Abschied feiern.

3 Nur 1 Punkt. Niemand interessiert es, wenn jemand in eine S-Bahn einsteigt. Ein Roman aus einem Zuschussverlag, sehr amateurhaft geschrieben.

4 Fünf Punkte von mir. Der Krimi stammt von Nele Neuhaus: „Die Lebenden und die Toten“.

5 Ich schwanke zwischen 3 und 4 Punkten. Der Anfang mit der Vorhersage eines Ereignisses ist etwas abgedroschen. Der Roman ist von Lee Child „61 Stunden“

6  Das sind bei mir 5 Punkte. Hier hat Lee Child besser gearbeitet. Der Krimi heißt „Ausgeliefert“

7  Nur 1 Punkt. Langweilige Eröffnung eines Krimis aus einem Zuschussverlag.

8  Volle 5 Punkte! Der Beginn führt den Leser absichtlich in die Irre. Die Protagonistin vergräbt keine Leiche. Gute Arbeit von Tess Gerittsen in „Leichenraub“

9 Eher langsamer Anfang, doch mit einem Ausblick auf drohende Gefahr. Vier Punkte von mir an Tess Gerritsen, für „Der Schneeleopard“.

10 Nur 1 Punkt für einen lahmen Anfang mit der typisch amateurhaften „Aufwachszene“ aus einem Zuschussverlag.

11 Langweilige Aufwachszene, 1 Punkt an den Zuschussverlag.

12 Ich schwanke zwischen 2 und 3 Punkten. Von einem Zuschussverlag.

13 Vier Punkte an Veronica Roth für „Die Bestimmung“.

14 Ich schwanke zwischen 3 und 4. Es ist für meinen Geschmack etwas dick aufgetragen. Autor: Justin Cronin „Der Übergang“

15 Die Autorin hat durchaus Potential, 3 Punkte an den Zuschussverlag. Das nächste Mal bitte kein gutes Geld an schlechte Stellen bezahlen.

16 Gutmütige 2 Punkte an den Zuschussverlag.

17 Gähnend vergebe ich 1 Punkt an den Zuschussverlag.

18 Ebenfalls gerade 1 Punkt an den Zuschussverlag. Einen Roman mit einer Zustandsbeschreibung zu beginnen, ist Garant für Langeweile.

19 Sehr lustiger Anfang eines ernsten Fantasy-Romans. 5 Punkte an Kristin Cashore für „Die Königliche“

20 Eher langweiliger Beginn um den ersten Tag an einer neuen Schule. Gutmütige 2 Punkte an den Zuschussverlag.

21 Im Jahre 1830 begann einmal ein Roman mit „It was a dark and stormy night.“ Seither hat sich die Phrase auch mit Variationen stark abgenutzt. Deshalb nur 1 Punkt an den Zuschussverlag.

22 Amateurhafte Zustandsbeschreibung als Romananfang. 1 Punkt an den Zuschussverlag.

23 Interessanter Anfang um das Rätsel eines Briefes und den Widerwillen der Tochter. 4 Punkte an Kiera Cass für „Selection“.

24 Liebe Lynn Raven, es tut mir herzlich leid, aber dieser Anfang von „Der Kuss des Kjer“ reizt mich überhaupt nicht, er ist völlig banal. 1 Punkt.

25 Ein Anfang mit versteckten Andeutungen. 4 Punkte an Dawn Cook für „Die Tochter der Königin“.

26 Hat für mich viel von Zustandsbeschreibungen. 2 gutmütige Punkte an Trudi Canavon für „Sonea 1“.

27 Die Clique hält sich höchstens in diesem Park auf. 1 Punkt für mieses Lektorat an den Zuschussverlag.

28 Langweilige Zustandsbeschreibung. 1 Punkt an den Zuschussverlag.

29 Die Königin ist daheim, alles ist gut. Wozu also weiter lesen? 1 Punkt an den Zuschussverlag.

Natürlich ist die Bewertung subjektiv, aber allgemein benutzen Profis den Romanbeginn, um den Leser in die Handlung hinein zu ziehen. Das schafft man nicht mit langweiligen Zustandsbeschreibungen, sondern mit Anspielungen auf mehr, auf große Dinge, die noch kommen.

Abweichende Meinungen? Benutzt die Kommentarfunktion.

Facebooktwitterpinterestby feather

Bildquelle

  • ID-100207816_stuart_miles: stuart miles freedigitalphotos.net

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert